Festungsartillerie

von Oberst Frank Skotak des Artilleriestabes

1914

 
  Eine der Allgemeinheit nur wenig bekannte Truppe. Kein Wunder. Bilden doch die Einrichtungen der Festungen und Forts, in denen die Festungsartillerie die Hauptrolle spielt, ein sorgfältig gehütetes Geheimnis jedes Staates; gibt doch kein Staat die modernen Kriegswaffen der Festungsartillerie, deren Schaffung mit ausserordentlich hohen Kosten verbunden ist, ohne weiteres preis. Wirkt das eine oder andere Mal die Festungsartillerie mit ihren Belagerungsgeschützen, Schulter an Schulter mit den Truppen der Armee im Felde mit, so wird der Manöverraum abgesperrt.
     So ist und bleibt sie in ein geheimnisvolles Dunkel gehüllt. Die Festungsartillerie ist die einzige Truppe des Heeres, die ihren schwierigen und verantwortungsvollen Dienst und ihr Können der Oeffentlichkeit nicht zeigen kann; die der Unterstützung der Volksvertreter bei Vorlagen der Kriegsverwaltung bezüglich ihrer Fortentwicklung und ihrer Bedürfnisse entraten muss. — Das Detail der von ihr besetzten Forts und ihrer Waffen muss auch in diesem Aufsatze verhüllt bleiben; der Schleier kann nur insoweit gelüftet werden, als dem Leser einige Bilder über den Dienst, über die Verwendung und Wirkung ihrer Waffen (sie verfügt insgesamt über 48 gänzlich verschiedene Geschützmodelle) vor Augen geführt werden, aus denen sich selbst der Laie,
 

 

Schussbereitstellung eines 24 cm Bealgerungsmörsers

 
zwar nur ein allgemeines, immerhin aber ein klares Urteil über den Wert derselben, über deren Einfluss auf die Operationen der Armee im Felde und jene der Kriegsflotte bilden kann.

Die Festungsartillerie in Landfestungen.

 Für die modernen Festungsbauten, das sind die Angriffs- und Verteidigungsobjekte der Festungsartillerie, werden heutzutage enorme Geldmittel von allen Staaten ausgegeben. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, dem Heerführer die Initiative zu sichern, ihm die Möglichkeit zu bieten, in dem als entscheidend anerkannten Raum mit möglichst grösster Kraft zum
vernichtenden Schlage ausholen zu können.
      Diese Bedingungen fordern naturgemäss die Verwendung der wirkungsfähigsten Kriegswaffen, nahezu reiner Maschinen, und ihre Einstellung unter die stärksten Deckungen moderner Kriegsbautechnik, das ist unter Panzer und Beton.
      Und so gelangen wir zum Reich der Festungsartillerietruppe an den Landesgrenzen, zu jenen kleinen, gegen das Erkennen von aussen möglichst geschützten Befestigungsobjekten, den Panzerforts, die in engen Tälern, Schluchten und auf Gebirgspässen die Wege versperren oder Bergeshöhen, Felsspitzen, Grate krönend, das Gelände weit und breit durch Sicht und Feuer beherrschen.
      Mit den, in diesen Panzerforts eingestellten, der Zahl nach verhältnismässig wenigen Kriegswaffen einem weitaus mehr als lOOfach überlegenen Feinde andauernden Widerstand zu leisten und im weiteren Verlaufe die von der feindlichen schweren Belagerungsartillerie vernichteten Geschütze und Mitrailleusen, die in Trümmer zerschossenen Panzer
 

Transport einer 15 cm Belagerungshaubitzbatterie

 

15cm Belagerungshaubitzbatterie auf dem Marsche

 
und Eisenbetondecken bis zum letzten Mann mit der Handfeuer oder blanken Waffe noch zu verteidigen, obliegt hauptsächlich der Festungsartillerietruppe.
      Ein ungemein fesselndes, nie geahntes Bild über die, der Festungsartillerie in solchen Forts obliegenden Tätigkeiten entrollt sich dem Besucher beim Eintritt in diese modernen Katakomben.
     Er sieht, wie die Offiziere, Unteroffiziere und Kanoniere gleich Ingenieuren, Monteuren, Mechanikern und Maschinisten die elektrischen Kraftanlagen in tadellosem Betrieb erhalten, die elektromotorischen Kräfte sachgemäss für die verschiedenartigsten Arbeitsleistungen, wie für die Innen- und Vorfeldbeleuchtung, für die Ventilation, für die automatische Dirigierung der schwersten Geschützpanzer, der Geschütze und Scheinwerfer, für die Indikatoren und Betätigung der Munitionsaufzüge auswerten, mit Hydraulik und Pressluft beim Heben und Senken von Geschütz- und Scheinwerferpanzern und bei Regelung der Vor- und Rückläufe der Geschütze in fachmännischer Weise arbeiten; er sieht weiters, mit welcher minutiösen Exaktheit sich bei einer Alarmierung die Absperrung des Forts vollzieht, die sofortige Beleuchtung dieses unterirdischen Wirnisses von Gängen und Stiegen, der Munitionsmagazine, der Maschinen- und Unterkunftsräume, der Geschütz-, Gewehr- und Beobachtungstürme und Käsematten eintritt, jeder Mann der Besatzung auf seinen Kriegsstandpunkt eilt, dort die Hilfsmittel für den Kampf und die Feuerleitung bereitstellt und besetzt, regungslos scharf durch die Minimalpanzerscharten in die hereingebrochene Dämmerung lugend und horchend,
seine ihm zugewiesenen Waffen schussbereit hält. Atemlose, unheimliche Stille.
Ein vom weit entfernten Panzer-Kommandostand an die Scheinwerfer und Nahkampfanlagen gegebenes telephonisches Aviso, ein präzises Kommando an die Panzerbatterie und ein ohrenbetäubender, tosender, die Nerven des Beschauers erschütternder Lärm bricht los. — Mit ihrer maximalen Feuerkraft legen die Maschinen- und automatischen Gewehre, die Schnellfeuerkanonen mit vortempierten und Kartätschschrapnells gegen die von den Scheinwerfern und Leuchtpistolen taghell erleuchteten, von unsichtbaren Drähten gezogenen, teils laufenden, teils sprungweise vorgehenden und kriechenden, immer wieder nachrückenden Figurenscheiben, dort, gegen die aufgeklappten Sappenschilde los, während die schwere Panzerbatterie mit steilem Feuer gegen die im gedeckten, lichttoten Sammelraume gemeldeten Sturmkolonnen, ihre mehr als tausend Kugeln fassenden Schrapnells schiessen.
      Nur eine kleine und kurze Episode aus den Verteidigungsübungen moderner Panzerforts. Achtunggebietend, ungeahnt und unvergesslich! Sie führt zur Erkenntnis der ungemein schwierigen Ausbildungsarbeit; müssen ja manchmal selbst Analphabeten zur höchsten mechanischen Fertigkeit im Bedienen und Erhalten dieser erstklassigen komplizierten Kriegswaffen gebracht und Unteroffiziere zu verlässlichen Kommandanten der kleineren Maschinengewehr- und Geschützkomplexe und zu Leitern maschineller Anlagen herangebildet werden.
      Und auch diese Unterkommandanten müssen, trotz der ihnen, aus der räumlichen Trennung vom Artilleriekommandanten, zukommenden Selbständigkeit, mitten im heftigsten, in den Geschütz- und Gewehrkasematten und Türmen furchtbar widerhallenden Feuerlärm, bis zum letzten Akte einheitlich geführt und geleitet werden.
      Nur dann kann die einbetonierte, des Sonnenlichtes der freien Sicht und Luft entbehrende Besatzung dieser, von allen Seiten umzingelten und verhagelten grossen Kriegsmaschine, des Panzerforts, den in einer bestimmten Richtung ansetzenden, mit grösster Todesverachtung geführten Hauptsturm zum Zerschellen bringen.
 

Transport eines Mörsers mit Seilwindenautos

 

Die Festungsartillerie in Küstenfestungen

     An der Küste hat die Festungsartillerie die eigene Flotte, wenn sie den Hafen aufsuchen muss, gegen jede feindliche Einwirkung von See aus zu schützen, ihre Ein- und Ausfahrten zu unterstützen, die Munitions-, Kohlen- und Lebensmittelmagazine, Docks, Werften, Werkstätten usw. vor Zerstörung vom Schiff aus zu bewahren. Die Raschheit und Kürze aller Angriffsaktionen zur See, die in rapider Steigerung begriffene Offensiv- und Defensivkraft der Kriegsschiffe, fordert seitens der Küstenartillerie einen hohen Grad von Kriegsbereitschaft, denkbar beste Geschützausrüstung und ebensolche Ausbildung der Artilleriekommandanten in der Führung, der Truppe im Schiessen bei Tag und Nacht.
       Meist auf sich selbst angewiesen, teils im Kontakt mit den eigenen Seestreitkräften arbeitend, muss die Küstenartillerie wochenlang, Tag und Nacht und unter den widrigsten atmosphärischen Verhältnissen bereit sein, den überfallartigen und wegen Ueberlegenheit umfassenden Unternehmungen des Gegners sofort mit voller Feuerkraft entgegenzutreten.
     Die sorgfältigst ausgearbeitete, den jeweiligen allgemeinen Situationen der beiden Flotten und den eigenen Absichten jederzeit Rechnung tragende Disposition für die anfängliche Feuereröffnung und Kampfführung bildet die Grundlage erfolgreicher Abwehr.
     Es stehen zum Beispiel feuerbereit: ganz bestimmte Batterien, um mit ihren kleinkalibrigen Schnellfeuerkanonen Flugfahrzeuge, andere Batterien, um mit ihren weittragenden Küstenkanonen, die mit Eilzugsgeschwindigkeit laufenden Rapidkreuzer zu bekämpfen, sie an der Aufklärung zu verhindern. Unter einheitlicher Leitung stehen die, nächst der Hafeneinfahrt postierten Batterien, die Scheinwerfer der Küste und der Wachschiffe, um die Annäherung an die Minen-und Hindernislinien, das Abräumen und Durchdringen derselben, wie um die, diese Aktion unterstützende Schlachtschiffdivision unter konzentriertes Feuer der Kanonen, Haubitzen und Mörser zu nehmen, den Qegenstoss der eigenen Torpedoflottille zu protegieren; andere Artilleriegruppen, welche gemeinsam mit der Infanterie, Landungsversuche abzuwehren haben usw.
 

Aufseilen eines Mörsers, der beim Gebirgstransporte abgestürzt ist

 
  Wie die Feldwachen und Hauptposten zu Lande, so versehen diese Batterien und Artilleriegruppen den aufreibenden Wach- und Sicherungsdienst an der Küste.
      Mit den leistungsfähigsten Fernrohren ausgestattet, vermögen sie an der Hand der Flottenlisten die Schiffstypen noch ausserhalb des Feuerbereiches aufzuklären; mit anderen sinnreich durchdachten Präzisionsinstrumenten können die Batteriekommandanten den Schiffkurs registrieren, die jeweilige Ortslage und Fahrtrichtung feststellen, den in der Geschossflugzeit zurückgelegten Schilfsweg bestimmen und die in schneller Fahrt begriffenen Schiffe jeden Moment mit zutreffend gerichteten, selbst indirekt schiessenden Geschützen verfolgen. Schon dem ersten, gewöhnlich der Ermittlung der Tagesrelation dienenden Schusse folgt der Treffer, das weiss die Küstenartillerie nur zu gut: sie kennt auch die Wirkung des Treffers, und weiss, dass, je ungestümer der Angriff ist, um so grössere Ruhe und Kaltblütigkeit sie bewahren muss, um durch präzises Bedienen der Geschütze und Instrumente nichts anderes zu erreichen, als ein Projektil nach dem anderen in den Leib der Schiffe hineinzujagen.
 

Verladen von Belagerungsgeschützen

 
      Diesen Batterien ist weiter bekannt, dass sie im Kampfe nicht verlassen sind und dass den am Horizont erscheinenden Schiffskolossen, die in eiligster Fahrt sich nähern, ein furchtbares, eisernes „Halt" zugerufen wird von jenen artilleristischen Kampfungetümen mit den nahezu 20 m langen, schlanken Kanonenrohren und den kurzen, nahezu 1,5 m dicken Haubitzrohren, deren Verwendung sich der Artillerieführer vorbehalten hat.
     Unbelästigt fährt die schwere Schlachtschiffdivision in das bis 24 km weite Bestreichungsfeld dieser Batterien, die vorläufig nur durch elektrisch angetriebene Indikatoren die ihnen als Ziele zugewiesenen Schiffe mit der Richtung ununterbrochen verfolgen.
      Jetzt nähern sie sich dem für ihre Geschützwirkung günstigsten Seeraum; noch hat die Schiffsdivision das Feuer nicht eröffnet, als erdbebenartige Erschütterungen und Blitzschlägen gleiche Detonationen verkünden, dass die mit mehr als 2 Meterzentnern rauchschwachen Pulvers hinausgeschossenen bis    1000 kg schweren Geschosse den Luftraum durcheilen. Je eine an 30 m hohe Wassersäule vor und hinter dem 14 km entfernten Führerschiff kennzeichnet den Kurz- und Weitschuss der beiden gegen das Teteschiff dirigierten Batterien, eine schwache, dichte, das 2. Schiff gänzlich einhüllende Rauchwolke, den Treffer der 3. Batterie.
     Dem Artilleriekommandanten ist bekannt, dass das Geschoss auf jener Distanz den stärksten Panzer der Ueberdreadnoughts mit Kraftüberschuss durchschlägt und daher das mit nahezu 100 kg hochbrisantem Sprengstoff gefüllte Projektil im Schiffsinnern — in den Maschinen- und Munitionsräumen — seine Explosionswirkung äusserte, das Schiff mindestens manövrierunfähig machte.
     In todesmutigem Kampfe, unbeirrt durch die Verheerungen, welche das mittlerweile von den Schiffsgeschützen eröffnete Feuer in den Batterien anrichtet, harren die Kanoniere, dem leuchtenden Beispiel ihrer Vorfahren auf Lissa folgend, aus, unablässig mit der erforderlichen grössten Sorgfalt die noch kampffähigen Geschütze bedienend und Salve auf Salve der weichenden Flotte nachjagend.
       Auch mit diesem Bilde wird vor Augen geführt, dass, wie die Ausbildung des Offiziers und Mannes, so der Dienst im Frieden und Kriege ungewöhnliche Anforderungen an Geist und Körper stellt und die Festungsartillerie an der Küste von höchster Bedeutung ist.
 

Batteriebau in gefrorenem Boden

 
     In weitaus grösserem Masse, als zu Lande müssen motorische Kräfte in den Dienst der Artillerie gestellt werden, soll das nahezu 5000 Meterzentner wiegende Geschütz ein in schnellster Fahrt befindliches Schiff mit der Richtung verfolgen und in Intervallen von 30 bis 40 Sekunden die mehrere Meterzentner wiegenden Geschosse gezielt abfeuern.
     Ein modernes schweres Geschütz kostet samt Munition mehr als 2 Millionen Kronen; eine erschreckend hohe Geldsumme und doch klein, wenn bedacht wird, dass 1 Treffer dieser Geschütze ein Panzerschiff von 60 Millionen Kronen Wert vernichten kann.
    Die Schnelligkeit, womit alle Kriegshandlungen zur See sich abspielen, fordert augenblickliche Entschlussfassung und minutiöseste Handhabung der ausserordentlich feinen Messinstrumente seitens der Artilleriekommandanten.
     Sie müssen im heftigsten Feuer jene Ruhe und Kaltblütigkeit besitzen, die Oberleutnant Jauernig als Kommandant der Küstenbatterie Mandonna am Vortage der Seeschlacht von Lissa bewahrte, als er die in den Hafen von Lissa eingedrungenen vier Panzerschiffe mit Feuer vertrieb und der Panzerkorvette Formdabile solche Havarien beibrachte, dass sie an der folgenden denkwürdigen Seeschlacht nicht teilgenommen hat.
 

Die Festungsartillerie beim Angriff auf Festungen.

      Bei der heutigen Tendenz, die Panzerforts der Reichsgrenze möglichst nahe zu rücken, um sie auch in den Dienst der Offensive zu stellen, werden künftige Kriegsoperationen mit dem Donner der schwersten Geschütze eingeleitet werden.
      Für diese Aktion war aber eine Belagerungsartillerie von noch nicht lange her, die sich erst angesichts der Festung organisierte und ausrüstete, dort die Munition elaborierte, Reisig flechten, Bespannungen und Fuhrwerke requirieren, ganze Betriebsetablissements herstellen und einrichten musste, nach welchen vorbereitenden, Wochen in Anspruch nehmenden Tätigkeiten erst Offiziere und Mannschaften erfuhren, ob sie Kanonen oder Haubitzen oder Mörser bedienen werden, gänzlich ungeeignet.
    Es konnte nicht verwundern, dass die Truppenführer eine solche Artillerie als schweren Ballast ansahen, dem Drange nach vorwärts nicht Halt zu gebieten vermochten, auf die artilleristische Vorbereitung aus schweren Geschützen verzichteten und auf die erprobte Tapferkeit der Feldtruppen bauend, den Angriff auf die intakte Festung wagten.
     Die Kriegsgeschichte weist eine grosse Zahl solch heroischer Taten auf, die aber keinen Erfolg, dafür enorme Verluste zur Folge hatten, trotzdem es sich stets um den Angriff auf veraltete Festungen handelte.
       Diese Erfahrungen wiesen sowohl auf eine mobile Ausgestaltung der Belagerungsartillerie hin, um sie rascher zur Hand zu haben, wie auf die Ausrüstung mit kräftigsten Waffen, um die immer mehr und mehr wachsende Widerstandskraft der Festungen verlässlich und rasch brechen zu können.                                      Nur zögernd vollzog sich dieser Aufbau; mussten doch mit den schwer erlangbaren Mitteln noch wichtigere Mängel des Heeres behoben werden.
 

15cm Belagerungshaubitzbatterie nach einem Gebirgstransporte

 

Fesselballon vor dem Hochlassen

 
Als aber die Fortifikation zu den stärksten Widerstandsmitteln, zum Panzer und Beton griff und Hand in Hand damit zu den jeweilig erlangbaren wirksamsten Verteidigungswaffen, als diese armierten Betonkolosse knapp an den Reichsgrenzen wie die Pilze aus den Boden schössen, eine Operationslinie nach der anderen versperren, da half kein Zaudern und kein Flicken mehr, die Ausgestaltung der Belagerungsartillerie musste in den Vordergrund der Ausbaumassnahmen der Wehrmacht gestellt werden.
      Ausser der Schaffung neuer wirkungsfähigster Geschütze umfasste diese Ausgestaltung die Beteilung der Festungsartilleriekompagnien bereits im Frieden mit der vollständigen Kriegsausrüstung einer Kanonen-, Haubitz- oder Mörserbatterie, die Zuweisung eines Bespannungskaders für die leichteren, eines Automobilkaders für die schweren Geschütze und die Formierung von 4 solchen Kompagnien zu einem Belagerungsartilleriebataillon.
      Diese Bataillone, beziehungsweise Regimenter, bestehend aus 2 Bataillonen, bilden die Dispositionseinheiten des Truppenführers. Jede Dispositionseinheit besitzt gewöhnlich noch eine Festungsballon- und eine automobile Beleuchtungsabteilung mit mehreren weittragenden Scheinwerfern.
      Mit dieser Neuorganisierung und Ausrüstung mehrerer Truppenkörper der Festungsartillerie, gewann die Armee im Felde die vierte schwerste taktische Waffe, mit welcher die Truppenführer jeden Angriff, ob gegen eine stark fortifizierte Widerstandsstellung des feindlichen Feldheeres oder gegen eine im modernsten Stil ausgebaute Festung ohne Zeitverlust sofort einzuleiten vermögen.
       Neues Leben pulsiert seither in den Adern der Festungsartillerietruppe; will sie doch den ihr nun eingeräumten Platz bei der Armee im Felde ganz ausfüllen und die Erwartungen, welche sich die Truppenführer von ihrer Unterstützung im schwersten Kampfe erhoffen, übertreffen.
      Die neue Belagerungsartillerie hält sich hiebei stets vor Augen, dass sie ihre ausschlaggebende Unterstützung nur dann äussern kann, wenn sie rasch und verlässlich die Kampfstellungen auch unter den denkbar ungünstigsten Verhältnissen zu beziehen vermag und sodann vorzüglich schiesst.
      Die technische Ausbildung der Belagerungsrtilleriebataillone wird auch weiterhin betrieben, nur dass sich dieselbe nicht mehr hinter Festungswällen
   

Befehlstelledes Bataillonskommandanten

   
und Gräben vollzieht, sondern dort wo die Feldtruppen sich taktisch schulen, im freien, offenen Terrain. Das kriegsmässige Belagerungsartilleriebataillon, welches ohne Munitionspark ungefähr 1000 Mann, 400 Pferde, 100 Fuhrwerke (darunter eine grosse Zahl Autos) zählt, in der Marschkolonne zirka 4000 Schritte lang ist, wird allerdings auf den Uebungsplätzen kaum zu sehen sein; dafür umso häufiger kurze bespannte und automobile Fuhrwerkskolonnen, deren Zugehörigkeit zur Festungsartillerie nur durch die Führung und Begleitung zahlreicher berittener Festungsartillerie-Offiziere und Unteroffiziere erkannt wird.
        Es sind das die Gerätewägen der Belagerungsartillerie, welche die Telephon- und Signalausrüstung, die Mess-, Richt- und optischen Instrumente in sich bergen, welche für die heutige moderne Führung der Artillerie im Kampfe unerlässlich sind. Mit diesen 6-spännigen Fuhrwerken, beziehungsweise Autos, eilen die Batteriekommandanten, Aufklärer, Beobachter und Rekognoszenten ihren Batterien weit voraus, in das Gefechtsfeld der die Artillerieschlitzstellung erkämpfenden Truppen hin, zu ihrem Bataillonskommandanten, um die Vorbereitungen für den Aufmarsch und für die, nächsten Tag vom Truppenführer geforderte Feuereröffnung der schweren Artillerie zu treffen.
      Es handelt sich um die Bewältigung der allerwichtigsten und schwierigsten Arbeiten; denn bis abends müssen die besten Anmarschwege ermittelt, und für das verlässliche Passieren mit den schweren Belagerungsgeschützen hergerichtet, der Zielraum des Bataillons genauestens aufgeklärt, die Befehls-,
Beobachtungstellen, die Batteriestellungen ermittelt, das telephonische und optische Befehls- und Beobachtungsnetz ausgelegt sein. Die Hauptschussdirektion für die nachts die Stellung beziehenden und sich eingrabenden Belagerungsbatterien und die Munitionsgattung, die vorerst in Verwendung gelangt, ist auch festzustellen.
     Für die Belagerungshaubitzbatterie, die in Gebirgstransport, bei vollständig zerlegtem Geschütz die Stellung hinter dem bewaldeten Sattel zu beziehen hat, muss rechtzeitig die Anordnung für den Uebergang auf diese Transportart und für die Bereitstellung der Hilfskräfte verfügt werden, während die Belagerungskanonenbatterie für die Erreichung der Stellung hinter der kahlen Höhe mit ihrer eigenen Besatzung aufzukommen und die Mörserbatterien in die Stellungen hinter der nahezu vertikalen Felswand und in den Steinbruch sich durch ihre Automobilseilwinde hineinzuziehen haben. Die automobilen Scheinwerfer werden in die Vorpostenlinie zur Unterstützung des Sicherungsdienstes in der Artillerieschutzstellung vorbeordert, für die Ballonabteilung die Füll- und Fesselstation, für den Belagerungsmunitionspark der Parkplatz bestimmt.
 

Ueberschiffen von Belagerungsgeschützen

 
     In zwei Staffeln rücken nach Einbruch der Dunkelheit die, mittlerweile in eine nähere Bereitschaftsstellung vorgezogenen Batterien in ihre Kampfstellungen ein, voraus die Batteriebau- und Bettungsstaffeln, um den Boden für die Feuerstellung der Geschütze herzurichten, die schrapnellsicheren Deckungen für die Geschütze, Munition und Besatzung zu bauen, dann erst der Geschützstaffel mit der für den nächsten Tag bestimmten Munitionsquote.
     Noch sind die hochgelegenen Befehlsstellen vom Nebel umhüllt, ein Mörser der abgestürzt ist, noch nicht schussfertig und dennoch eröffnet das Belagerungsartilleriebataillon, welches tags vorher noch 24 Kilometer hinter der Stellung war, zur anberaumten Morgenstunde mit voller Kraft das Feuer aus allen seinen Batterien. Denn auch für diesen Fall wurde durch vorgeschobene, tiefergelegene und bis in die Hauptpostenlinie vordetachierte Beobachtungsoffiziere vorgesorgt, welche von dort aus schon die Ziele sehen, die Schüsse beobachten können und hiedurch es den Batteriekommandanten ermöglichen, die Schüsse ins Ziel hinein zu dirigieren.
     Es währt nicht lange; dem tastenden, die Ziele immer enger und enger einschliessenden Feuer folgen bald die das Ziel gleichmässig überdeckenden Lagen, das Wirkungsschiessen. In der gewissenhaftesten Registrierung jedes einzelnen Schusses, in der ununterbrochenen vergleichenden Beurteilung der Grösse der Abweichungen der Schüsse mit den Streuungswerten der Geschütze ist der Wille ersichtlich, jeden Schuss zum Treffen zu bringen, den Maximaleffekt zu erreichen. Das grösste Interesse wendet sich der Zerstörungsarbeit der schweren Mörserbatterien zu, welche das mächtigste Bollwerk der Verteidigungsstellung aus weiter Ferne zu vernichten haben.
     Die massige, mit weissem Betonstaub vermischte dunkle Explosionswolke am Panzerfort lässt unzweifelhaft erkennen, dass die Bombe, welche über 4000 Meter hoch gestiegen ist, die Betondecke getroffen hat und dort jene Zerstörungsarbeit leistet, welche der lebendigen Kraft eines vollbeladenen mit normaler Geschwindigkeit fahrenden Gütereilzuges zukommt.
    Unwillkürlich erinnert man sich der Inschrift auf jenem kleinen Mörser, vor dem Heeresmuseumsgebäude im Artilleriearsenale in Wien, der am Mittelschild den kaiserlichen Doppeladler, rechts das Reliefbild des Prinzen Eugen, links die Darstellung eines Bombenwurfes, welcher 3000 Türken das Leben kostete, trägt. Sie lautet:

ANNO 1717 DEN 14. AUGUSTI WAR ICH DER FÖSTUNG BELGRAD GESETZT ZUM
GROSSEN SCHRÖCKEN
UND MEINE KLEINE BOMM MUSST VIEL ZUM TOD
AUFWECKEN,
SIE SCHLUG INS PULVERHAUS UND LIESE NICHTS DARIN

 
 

 

www.heeresgeschichten.at