Österreich-Ungarns Marineflugwesen

von Wladimir Slawik, k.u.k. Linienschiffsleutnant
1914
 
Die Aufmerksamkeit, die andere Marinen dieser neuen Waffe entgegenbrachten sowie die beträchtlichen Geldmittel, die von anderen Staaten zu ihrer Fortentwicklung verwendet wurden und für die Zukunft vorgesehen sind, Hessen es auch bei uns notwendig erscheinen, dem Seeflugwesen den gebührenden Platz einzuräumen.
Das Marineflugwesen Österreich-Ungarns befindet sich aber erst in seiner Ausgestaltung und seine Anfänge reichen nur bis in die Jahre 1910/1911 zurück. Damals wurden mehrere Seeoffiziere, teils bei der Privatindustrie, teils bei der Luftschifferabteilung des k. u. k. Heeres auf dem Flugfelde in Wiener-Neustadt im Flugwesen ausgebildet und sammelten später in mehrmonatiger Kommandierung sowie auf Missionsreisen im Auslande grundlegende Kenntnisse. Im Oktober 1911 wurde die Versuchsflugstation Pola als eine dem Marinetechnischen Komitee unterstellte Abteilung errichtet und die Vornahme von Versuchen mit einem im Seearsenale erbauten Seeflugzeuge begonnen.
Nach langwierigen Proben gelang es endlich im Frühjahr 1912 praktische Erfolge zu erringen, was um so höher bewertet werden muss, als hiemit durch die Marine die äußerst schwierige Frage des Abfluges vom Wasser und noch dazu mit einem ungefähr 500 Kilogramm schweren Flugzeug, das bloß einen 35perdekräftigen Daimlermotor hatte, auf durchaus selbständigem Wege gelöst wurde.
Ende 1911 waren auch bei der Privatindustrie zwei Flugzeuge in Auftrag gegeben worden. Durch die Ungunst der Verhältnisse war ihre Ablieferung erst aber nach einem beträchtlich längeren Zeitraum als vorgesehen möglich.
Unterdessen war in Pola ein Schulflugzeug in Bau gegeben worden, das, als Flugboot und Doppeldecker mit einem 85pferdekräftigen Hieronymus-Motor ausgestattet, nach seiner Fertigstellung vollkommen entsprach. Die österreichisch-ungarischen Kolonien in Bayern hatten in opferwilliger Weise eine Sammlung eingeleitet, die den hohen Betrag von 50.000 Kronen ergab, der zum Baue eines Seeflugzeuges zur Verfügung gestellt wurde. Gleichzeitig hatte der Generalkonsul in Malta, Ritter Kohen von Hohenland, auf Anregung des Österreichischen Flottenvereines, diesem hochherzig einen namhaften Betrag gewidmet, mit der Bestimmung, hiefür ein Seeflugzeug für die Kriegsmarine zu beschaffen. Die Flugzeuge — schwere Doppeldecker mit 120pferde-kräftigem Daimler-Motor — wurden im Inlande bei der Firma Lohner bestellt.
Als im November vorigen Jahres kriegerische Verwicklungen nahegerückt schienen, musste die Kriegsmarine an die rechtzeitige Beschaffung des für Aufklärungszwecke so vorzüglich geeigneten Seeflugzeugmaterials schreiten. Aus einer Höhe von 1000 Metern übersieht es nämlich ein Gebiet von 66 Seemeilen (126 Kilometer) nach allen Seiten, es kann daher den herannahenden Feind schon von weitem ankündigen und erspart dadurch zahlreiche Fahrzeuge, die nur bei Aufbietung der äußersten Maschinenkraft und großem Kohlenverbrauche Annäherndes leisten könnten.
Da die rechtzeitige Beschaffung von Seeflugzeugen im Inlande vollkommen unmöglich war,
mussten sie aus dem Auslande bezogen werden. Es wurden verschiedene Typen angekauft: Donnet-Leveque, Curtiss, Sanchez Besä und andere. Die Kriegsmarine war dadurch bereits im Monate Jänner 1913 im Besitze einer leistungsfähigen Flugflotille, die zum Einüben benützt wurde.
Und es schien, als ob sie bald im Ernste gebraucht werden würde. Als sich im Frühjahr 1913 die Lage auf das äußerste zuspitzte, wurde im Golfe von Cattaro eine Küstenflugstation errichtet, die während ihrer mehr als einmonatigen Tätigkeit sehr wertvolle Aufklärungsdienste leistete. Damals wurden von Fliegern längere Seestrecken überflogen; so z. B. Teodo—Rägusa, Pola—Triest und zurück (als Gruppenflug mit drei Flugzeugen), Pola—Fiume und zurück und andere mehr.
Durch die Spende der Firma Dynamit-Nobel, die den Betrag von 35.000 Kronen für die Beschaffung eines Seeflugzeuges widmete, wurde der Bestand an Flugzeugen abermals vermehrt; außerdem wurde neuerdings ein Flugzeug eines besonderen Typs heimischen Werken zum Bau übertragen.
Gegenwärtig verfügt die Kriegsmarine über zehn fertige Flugzeuge, durchwegs Doppeldecker, zum Teile Flugboote, zum Teile Schwimmerflieger.
Von ernsteren Unfällen blieb das Marineflugwesen bis auf zwei verschont. Linienschiffsleutnant Klobucar, der erste Kommandant der Flugstation, zog sich im Frühjahr gelegentlich eines unglücklichen Niedergehens auf dem Wasser schwere Verletzungen im Gesichte zu; Fregattenleutnant Banfield, einer der besten Marineflieger, brach bei einem Flugunfall ein Bein, dessen Heilung sich durch widrige Umstände verzögerte.
Auf dem Flugfelde in Wiener-Neustadt waren 1913 der Luftschifferabteilung des k. u. k. Heeres zehn Seeoffiziere zugeteilt; nach Ablegung der Feldpilotenprüfung rückten sie Mitte Oktober nach Pola ein, wo sie zu Seeflugzeugführern weiter ausgebildet werden. Auch wurde bereits eine eigene Fliegerspezialität geschaffen, das heißt eine besondere Mannschaftsabteilung, die nur für das Flugzeug- und Motorenwesen bestimmt ist. Ihr Stand wird bis 1915 auf 166 Mann gebracht werden.
Die Flugstation Pola hat ihren Sitz auf dem im Hafen gelegenen Eilande Katarina. Dort wurden Flugzeugschuppen aufgestellt, eine große Flughalle geht ihrer Vollendung entgegen.
Über eine werdende Sache lässt sich schwer urteilen, besonders hier, wo nach der Natur der Sache eine Erfindung von größerer Tragweite möglicherweise neue Bedingungen schaffen kann. Immerhin darf behauptet werden, dass das Marineflugwesen Oesterreich-Ungarns dem anderer Staaten an Güte nicht nachsteht. Die Grundlagen für einen zielbewussten Ausbau sind geschaffen, einer großzügigen Ausgestaltung steht nichts im Wege.

 

     

Von den bayrischen Kolonien gespendeter Pfeilflieger

 
 
 

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