Auszug

aus dem Berichte

über die Aktionen im III. Verteidigungsbezirke während
der Einschließung.


Die Verteidigungsfähigkeit des Bezirkes.

 

wird in sehr nachteiliger Weise durch die dem Gürtel vorgelagerte Höhe Nadgrodzenie beeinflusst, auf und hinter welcher der Gegner mit verhältnismäßig geringen Schwierigkeiten unter Ausnützung nicht eingesehener Annäherungswege seine Batterien in Stellung bringen kann. In ähnlicher Art machen sich auch die Höhen in dem San-Bug zwischen Tarnowce und Korytniki geltend, deren Vorteil auszunützen der Feind allerdings einige Zeit durch die Vorstellung des VII. Bezirkes gehindert gewesen wäre.
     Einer modernen Führung des Gürtels würde es entsprechen, die genannten Höhen in die Verteidigungslinie einzubeziehen.
     Weiters bieten sich dem Gegner große Vorteile durch die Bewaldung des Vorterrains, die gedeckte Truppenverschiebungen du die Annäherung bis nahe an die Werke gestattet. Eine radikale Abhilfe könnte nur durch Niederbrennen der Wälder, speciell auf der Höhe Nadgrodzenje geschaffen werden und wäre in der Zeit der schönen Witterung immerhin möglich gewesen. Bei Eintritt der Regenperiode war dies jedoch trotz vielfacher Bemühungen nicht zu erreichen.
     Das Abholzen, welches soweit es überhaupt durchführbar war, geschah, erfüllte nicht ganz den Zweck, indem die umgehauenen Baumstämme, die nicht fortgeschafft werden konnten, der fdl. Infanterie gute Deckung boten, keineswegs aber ein schwieriges Bewegungshindernis darstellten. Überdies war durch das Abholzen seit der Ausrüstung ein Viertel der Arbeitskräfte in Anspruch genommen, deren Mangel an anderer Stelle sehr in Gewicht fiel.
     Es würde sich daher empfehlen, bereits im Frieden Wälder im nächsten Vorterrain des Gürtels zu beseitigen, hingegen aber Wälder hinter dem Gürtel, wo sie nicht nur ihren Zweck als vorzügliche Maske erfüllen, sondern auch für die Holzentnahme sehr wertvoll sind, durch eine systematische Aufforstung zu erhalten u. weiter zu entwickeln.

 

Werke und Intervalle.

 

     Die hochaufgezogenen aus dem Vorfeld sehr gut wahrnehmbaren Werke sind für den modernen Festungskrieg nicht mehr vorteilhaft. Es würden sich vielmehr Werke empfehlen, welche keinen hohen Aufzug aufweisen und tief in die Erde gebaut sind.
     Auch bei den Intervallen sollten Aufzüge über 60cm, schon mit Rücksicht auf die unvermeidlichen Setzungen des Erdreiches und die schwierige Maskierung, ausgeschaltet sein.
     Kleinere feldmässige Stützpunkte in den Intervallen, wie z.B. der Stützpunkt Letownia, haben einen großen Wert, weil die Besatzung an den Ort gebunden ist. Die Stützpunkte müssten zwar entsprechend eingerichtet sein. (Unterkünfte, Küchen, Brunnen) beim Stützpunkt Letownia liegen die Unterkünfte ausserhalb des Stützpunktes.
     Unterstände und Unterkünfte sollten nicht nur zum Sitzen sondern auch zum Liegen eingerichtet sein.

     Schartenschilde mit gering dimensionierter Schußöffnung wie solche in den Werken eingebaut wurden, sind unzweckmäßig, weil das Bestreichungsfeld allzu sehr eingeengt wird.

Armierung.

 
     Die Einstellung bis 10 km weittragender Kanonen in den Gürtel zu Bestreichung der Hauptanmarschrichtungen Rokietnica und Tapin, dann einiger Haubitzen in das Werk VII 1/2 - auser den bereits vorhandenen Traditoren - zur Wirkung in den für den Gegner wichtigen Sammelraum Korytniki wäre dringend geboten. Auch sollten im Bezirk mindestens 2 Ballonabwehrkanonen zum Beschiessen fdl. Flugzeuge vorhanden sein.
     Die Zusammensetzung an mobilen Geschützreserve des Bezirkes aus einer mobilen Kanonenbt. M.75 und 2 - 15cm Mörserbtn. erwies sich als nicht vorteilhaft. Letztere können gewiß gute dienste leisten, wenn sie als Wurfgeschütze beim Nah– und Sappenangriff in Stellung gebracht werden, für eine wirksame Artunterstützung der kleinen Ausfälle aus dem Bezirk waren sie jedoch nicht zu brauchen. Es erübrigte für diesen Zweck nur, die eine Kanonenbt. M75. Eine Batterie, noch dazu aus alten Geschützen, reicht aber naturgemäß nicht aus und müsste durch moderne Feldgeschützbatterien ersetzt werden.
     Der Mangel einer ausreichenden Zahlt Masch.Gew. Abten machte sich recht fühlbar. Speziell im eigenen Bezirk, wo das bedeckte Vorterrain Überraschungen begünstigt und den Gegner zu einem gewaltsamen Angriff direkt einladet, wäre eine reichere Dotierung der Werke mit M.G. und die Einstellung von M.G. auf vorbereiteten Emplacements in die Intervalle erwünscht.
 

Vorfeldbeleuchtung.

 
     Die Mittel der Vorfeldbeleuchtung reichten nicht aus. Vor allem entbehrte der Bezirk weitreichende 120 cm Scheinwerfer zur Beleuchtung der Hauptannäherungsräume Kosienice Vad Grodzenie und Korytniki . Die Maximalportee der 90 cm Scheinwerfer von 3 km konnte nur bei besonders klarer Witterung erreicht werden.
     Weiters sollte auch die vorgeschriebene Dotierung von je 1 Stück Leuchtpistole per 1/2 km vorhanden sein. Nachdem nur 12 Stück vorhanden waren fehlten demnach - eine 10% Reserve miteingerechnet - im Bezirk 8 Leuchtpistolen.
     Die Acetylenhandlaternen haben so wenig Lichtertrag, daß auch die kürzesten Gräben nicht beleuchtet werden konnten, auch die 25 cm Scheinwerfer sind für einen längeren Graben nicht mehr ausreichend.
 

Aufklärung.

 
     Die Aufklärung - speziell die Artaufklärung - hatte unter dem Mangel einer Ballonbeobachtung (: Aeroplan:) sehr zu leiden, da die Verwendung der Artaufklärungspatrouillen im Festungskriege grossen Schwierigkeiten begegnet.
     Die feindl. Batterien waren durchgehendes nicht maskiert, trotzdem aber, weil gut verdeckt aufgestellt, sehr schwer auszuspähen. Mit Hilfe eines Ballons hätte man sie indes leicht, finden und, da sie innerhalb der Porteegrenzen lagen, unter Entwicklung einer grossen artilleristischen Überlegenheit niederkämpfen können.
     Auch für die Infbekämpfung wäre eine Ballonbeobachtung (:Aeroplan:) sehr erwünscht gewesen, der die gegnerische Inf. mit ihren Stellungen durchwegs auf der Gürtel abgewandteten Seite der Terrainerhebungen zurückblieb.
     Die Infanteriebeobachtungsstände haben infolge der durch schlechtes Wetter sehr beeinträchtigten Übersicht wenig verwertbare Meldungen geliefert. Auch erfordert der Beobachtungsdienst sehr geschickte, im Kartenlesen geübte Offiziere, was bei Landsturmoffizieren nicht immer der Fall ist. Es ist daher trotz Pflichttreue und dem besten Willen der Beobachter auch in dieser Hinsicht kein besonderes Resultat zu verzeichnen gewesen. Vorteilhaft ist es, die Beobachter mit dem Generalübersichtsplan zu beteilen, damit sie die Ziele nach Planquadraten angeben können.
 

Die Hindernisse

 
vor den Werken und Intervallen waren überall von zu geringer Breite und ohne besondere
Verstrickungen vielfach nur aus dünnen Drähten hergestellt. Bei der Ausrüstung des Gegners mit sehr wirksamen Drahtscheren wäre nur starker Stacheldraht zu verwenden und das Drahthindernis mit anderen Hindernisgattungen zu kombinieren. Die Verlegung von Fußangeln in das Drahthindernis wäre beispielsweise ein sehr wirksames Mittel um das Bewältigen einen solchen Drahthindernisses umso schwerer zu gestalten. Auch die Anlagen von Wolfsgruben im Drahthindernisse, an Glacis und in den Gräben könnte ich empfehlen.
     Das Material für die Drahthindernisse (starker Stacheldraht und Eisenstangen) sollte bereits im Frieden in großen Vorräten in der Festung deponiert sein und nicht erst im Ausrüstungsfalle zugeschoben werden. Das Ausbleiben der in Aussicht genommenen Zufuhr trug die Schuld an den erwähnten Übelständen.
 

Minenfelder.

 
     Mit den im Vorfeld verlegten Minenfelder konnten wenig entsprechende Erfahrungen gemacht werden. Durch herumstreichende Hunde, wechselndes Wild etc. dann auch durch die Unvorsichtigkeit der eigenen Leute, trotzdem sie sorgfältigst belehrt und die Mindenfelder bezeichnet und bewacht waren, wurden wiederholt vorzeitige Explosionen verursacht und hiedurch Unglücksfälle bei der eigenen Mannschaft hervorgerufen.
     Die mehrfach zur Anwendung gelangten 15, 24 und 30.5 cm Rundbomben sind noch gefährlicher für die eigenen Truppen als für den Feind, denn sie lassen sich nach Aussage des Bezirksgenieoffiziers nur mit Lebensgefahr desaktivieren und es traten ausser durch die genannten Ursachen vermutlich auch durch in Bewegung geratene Gerölle öfters Explosionen auf, bei denen größere bis zu 5 kg schwere Sprengstücke kilometerweit fortgeschleudert wurden.
   Müssten jedoch Rundbomben angewendet werden, so sollten, da doch eine Nahwirkung angestrebt wird, eine entsprechende, die Zertrennung in kleine Sprengstücke gewährleistende Bearbeitung der Oberfläche erfolgen.
 

Die Befehlsverhältnisse

 
im Verteidigungsbezirk waren derart geregelt, dass die Infgruppenkmdten und die Werke keinerlei Ingerenz ausüben konnten, und die Leitung des Artfeuers in der Zeit des Fernkampfes dem Verteidigungsbezirkskmdo im Wege des Bezirksarilleriekmdten vorbehalten blieb. Erst für die Zeit des fdl. Fortangriffs war geplant, die Artgruppen– und Objektskmdten den Infgruppenkmdten direkt zu unterstellen.
     Dies hatte den grossen Vorteil, daß die Einheitlichkeit der Aktionen gewahrt wurde und Munitionsverschwendungen nicht vorkommen konnten.
    Auch das Beschiessen eigener Truppen wurde dadurch vermieden. Schon auf 3 km ist es mit dem besten Gläsern nur schwer möglich, die eigenen Truppen von de fdl. zu unterscheiden, und es stellte sich als dringend notwendig heraus, die Art des Bezirkes über die Unternehmung, über Patrouillenentsendungen etc. genauestens zu orientieren. Es wäre daher auch sehr wichtig, die eigenen Truppen im Festungskriege bei Tag und Nacht durch auffallende Abzeichen, die nach Bedarf gewechselt werden könnten, kenntlich zu machen.
 

Die telephonischen Verbindungen.

 
haben für den Befehls– und Meldedienst vorzüglich entsprochen und ermöglichten es dem Verteidigungsbezirkskommandanten auch mit grösseren Dispositionseinheiten klaglos zu arbeiten. Ein großer Übelstand ergibt sich jedoch im falle eines fdl. Bombardements durch den Umstand, daß das Barackenlager Lipowica geräumt werden, die dort untergebrachte Telephonzentrale jedoch, weil nicht verlegbar, im Lager etabliert bleiben muß und fonach dem fdl. Feuer ausgesetzt wird. Die in Aussicht genommene Verstärkung der bezgl. Baracke durch Anordnung von Balken vor den Fenstern und Einziehung einer widerstandsfähigen Betondecke sind keine Gewähr, dafür, daß dieses wichtige Verbindungsmittel gerade im Moment des dringendsten Bedarfes erhalten bleibt.
     Weiters müßte auch von allen offenen Leitungen Abstand genommen werden, da schon während der Beschießung des Werkes IX der telephonische Verkehr mit diesem Werk unterbrochen wurde.
 

Kommunikationen

 
     Die Gürtelstraße führt zu nahe an dem Gürtel. Bei einer Beschießung der Werke ist sie daher unvermeidlichen Beschädigungen ausgesetzt und ein Verkehr auf ihr nicht druchführbar.
     Die Kolonnenwege waren bei schlechtem Wetter in unpraktikablen Zustand. Der Mangel von Schotter macht sich empfindlich geltend. Bereits im Frieden würde sich die Anlage eines ausreichenden Schotterdepots in der Nähe der betreffenden Kommunikationen sehr empfehlen.
 

Munition.

 
     Der Vorrat an Infmunition, der wie angeordnet für die Werke 180 Patronen beim Mann, 100 im Werk, für die Intervalle 180 beim Mann, 200 in den Festungsvorräten betrug, erscheint unzureichend. Ein gewisser Zuschub könnte erreicht werden, wenn die Dotierung der Artmannschaften bei den Batterie mit 140 Patronen zu Gunsten der Infbesatzung herabgesetzt werden würde, denn es dürfte nur in aussergewöhnlichen Fällen dazukommen, daß diese Mannschaft zum Stutzen greifen muß.
     Auch die 4 tägige Dotation mit Artmunition erscheint zu gering. Es sollten mindestens 5-600 Schuß per Geschütz und 1000 Schuß per Schnellfeuergeschütz vorhanden sein. Wiederholt musste aus ökonomischen Gründen dem Artfeuer in Momenten Einhalt getan werden, wo die Fortsetzung der Wirkung noch erwünscht gewesen wäre.
     Die Kartätschendotation mit je 4-6 Schuß sollte auf das Dreifache erhöht werden, denn Kartätschen sind bei der Abwehr von Nahangriffen den vortempierten Schrapnells wegen größerer Wirkung in die Breite vorzuziehen.
 

Sanitäres.

 
     Die Gesundheitsverhältnisse im Bezirk waren trotz der schlechten Witterung und der großen Anforderungen die an die unterstehenden Truppen herantraten zufriedenstellend. Im ganzen kamen bisheute 10 Cholerafälle und gegen 30 Ruhrfälle im Bezirk vor, die Cholera wurden nachweisbar in den Bezirk eingeschleppt.
     Das in Ostrow errichtete Marodenhaus mit 210 Betten hat sehr gute Dienste geleistet.
    Die Verwundetenversorgung und der Verwundetenabschub gingen sehr gut vonstatten, so daß die Leute noch am selben Tage in das Spital gebracht werden konnten.
    Die Verbandlokale in den Werken waren zweckmäßig eingerichtet, aber naturgemäß zu klein, so daß sie bei stärkeren Andrang nicht ausgereicht hatten.
     Von den in den Werken vorhandenen Bandagenträgergarnituren konnten die Requisitentornister dort nicht zum Gebrauch herangezogen werden, weil ihr Inhalt nur von Ärzten verwendet werden kann und solche in den Werken nicht eingeteilt sind. Die Requisitentornister wurden daher auf die Hilfsplätze gegeben und konnten dort mit Vorteil verwendet werden.
     Medikamente wären bei längerer Dauer der Belagerung nicht in ausreichender Menge vorhanden gewesen und hätten auch mangels größerer Vorräte in der Festung nicht beschafft werden können.
 

Verpflegung.

 
     Die mit 15. September in Kraft getretene und am 18. Oktober noch restringierte Festungsverpflegung ist für eine Festung, die einer Einschließung entgegensieht und eine solche mitmacht, entschieden unzureichend.
     Die Anforderung, die an die Besatzungstruppen im modernen Festungskrieg, wo alles auf aktives Auftreten hinzielt, herantreten, bleiben hinter jenen im Feldkrieg nur wenig zurück. Wiederholt haben Abten. vor und nach der Einschließung durch Tage Schulter an Schulter mit den Feldtruppen gekämpft.
    Es wäre daher ein Gebot der Gerechtigkeit und Erhaltung des guten Geistes, in den die Festungen betreffenden Verpflegsbestimmungen Wandel zu schaffen. Für Festungen, die unberührt vom Feind bleiben, ist die Festungsverpflegung aber modernisiert und den Verhältnissen des Friedens, wo auch ein Nachtmahl vorgeschrieben ist, angepasst, gewiß angebracht. Sobald aber eine Festung eingeschlossen wird, oder an Gefechten im Aussenfeld beteiligt ist, hätte automatisch die volle Kriegsverpflegung einzutreten.
     Die Einrichtung verschiedener Fassungsstellen für die Besatzung des Bezirkes erwies sich für jene Truppen, denen nur wenige Fuhrwerke zur Verfügung standen, als recht beschwerlich und zeitraubend.
     Es wäre daher vorteilhaft, in jedem Bezirke eine Filiale des Verpflegsmagazins und des Schlachtviehdepot zu errichten, so daß die Truppen des Bezirkes alle Verpflegsartikel an einer Stelle fassen könnten.
     Eine ernste Versorgung bildet die Wasserversorgung jener Werke, denen Wasser von auswärtigen Brunnen oder solchen innerhalb des Gürtels in Fässern zugeführt werden muß. Im Falle eines anhaltenden fdl. Bombardements ist dies naturgemäß unmöglich.
     Die Verpflegsartikel betreffend wurde konstatiert:
Das Fleisch war hie und da nicht ausgeblutet.
Das Schnittbrot war mitunter nicht gut durchgebacken, sauer und namentlich in der ersten Zeit der Einschließung aus verdorbenen Mehlvorräten erzeugt, was darauf hindeutet, daß manche Magazine gegen Einwirkung von Elementarschäden nicht genügend gesichert worden sein dürften.
     Die Zuckerrationen erwiesen sich als zu gering. Die Erfahrung lehrt, daß die Mannschaft nicht einen guten und gehaltvollen, sondern einen leichten und dünnen, dafür aber entsprechend gezuckerten Kaffee oder Tee bevorzugt.
     Wein wäre nicht täglich, sondern nur von Zeit zu Zeit bei besonderen Leistungen auszugeben. Weißwein erwies sich als weniger vorteilhaft. Mehrfach kam er bereits gebrochen und trüb von den Fassungsstellen zur Ausgabe. Mit Rücksicht auf die Choleragefahr und auch schon darum, weil er haltbarer ist, wäre die Ausgabe von Rotwein erwünschenswerter.
     Den Tabakkonsum betreffend hielte ich es für zweckmäßig, der Mannschaft nicht blos den Limitorauchtabak zu verabfolgen, sondern die Ausgabe von Tabakfabrikaten nach dem Verhältnis des statistisch nachweisbaren Konsums d.i. also in erster Linie Zigarettenraucher, dann Zigarrenraucher und schließlich Pfeifenraucher gleichmäßig zu regeln.
     Hafer wurde bereits nach 2 Wochen surrogiert . Festungen, die im Bereich der Armee im Felde liegen, sollten ausserordentlich reich mit Verpflegsvorräten dotiert werden, auch mit Vorräten, um der Armee im Felde aushelfen zu können; denn diese sieht in der Festung ein großes Reservoir, aus dem sie schöpfen kann.
    Das gefasste Heu war häufig schlecht, nachdem es in großen Mengen eingebracht, jedoch im freien Felde deponiert wurde und infolge des wochenlangen Regens verfaulte.
    Der Ankauf und die Requisition von Stroh war trotz der reichen Vorräte in der Umgebung der Festung sehr erschwert. Wahrscheinlich konnten dieselben nicht mehr eingebracht werden und sind teils dem Gegner, teils Elementarschäden zum Opfer gefallen. Eine weitausholende diesbezügliche Aktion bald nach Beginn der Ausrüstung hätte diese Verluste vielleicht weniger empfindlich gestalten können.
 

Ausrüstung der Truppen.

 
     Durch die Ereignisse war es manchen Truppen nicht mehr möglich, ihre Monturs– und Ausrüstungssorten vollzählig aus den Friedensstationen mitzubringen. So machte sich der Mangel an Stiefeln, Wollwäsche, Mänteln, Decken etc. sehr fühlbar und es wäre dringend notwendig, für die Marsch– und Landsturmformationen, die eventuell mangelhaft ausgerüstet in die Festung kommen, mit grösseren Vorräten im Festungsmonturmagazin vorzusorgen. Weiters sollte eine größere Anzahl Decken im Bettenmagazin zur Beteilung von Truppen, Militärarbeiterabteilungen etc. vorrätig gehalten werden.
     Endlich waren auch Kochkisten und Fahrküchen nicht in genügender Zahl vorhanden, so dass solche manchen Truppen nicht zur Verfügung standen, die durch mehre Tage im Vorfeld verwendet wurden, was deren Verpflegung sehr erschwerte.
 

Die Räumung der Ortschaften.

 
ging unter dem Druck der Verhältnisse mitunter binnen weniger Stunden vor sich. Die Bewohner mußten vielfach einen Teil ihrer Habseligkeiten zurücklassen, wurden von anderen Gemeinden, wo sie sich ansiedeln wollten, wegen ihrer Mittellosigkeit abgewiesen und kehrten schließlich in ihre demolierten Häuser zurück, um sich dort so gut es ging wieder einzurichten. Es war daher unmöglich, die Lage der Minenfelder vor diesen Leuten verborgen zu halten und der feindl. Spionage Gelegenheit gegeben sich zu betätigen.
     Viele Leute, die in den Ortschaften innerhalb des Festungsgürtels wohnten und evakuiert wurden, kehrten nach dem Abzug des Feindes mit der Absicht zurück, wieder in ihre Wohnstätten zu gelangen. Da ihnen das Betreten des Festungsrayons durch die Vorposten verwehrt wurde, lagerten sich hunderte von Familien vor denselben und bildeten, jeglicher Nahrungsmittel entblöst, ein Bild größten Jammers und Elends und sonach auch eine Gefahr in sanitärer Beziehung.
     Aus dieser Erscheinung könnte man den Schluß ziehen, daß es zweckmäßig wäre, sowohl die im Verbotsrayon der Festung liegenden Ortschaften schon bald nach Beginn der Ausrüstung zu evakuieren, als auch jene Gemeinden innerhalb des Gürtels, deren Räumung in Aussicht genommen ist, je eher je besser aufzufordern, ihre Angelegenheiten zu ordnen und beiden Kategorien einige Tage Zeit zum Abtransport ihres Eigentums zu lassen.
     Weiters wäre schon im Frieden durch die politischen Behörden eine großzügige Aktion vorzubereiten, um den Leuten bestimmte Asyle zuzuweisen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich mit Nahrungsmitteln zu versehen. Schon vor der Einschließung herrsche z.B. unter der Bevölkerung nächst dem Gürtel ein Mangel an Salz, heute ist es für die Leute schon sehr schwer, überhaupt irgendwelche Nahrungsmittel aufzutreiben.
 

Das Zusammenarbeiten der Besatzung mit deutschen Truppen

 
war erst nach längerer Zeit zu erreichen. Anfänglich herrscht bei den Werk– und Intervallkommandanten eine gewisse Scheu, ohne genaue Anweisung der technischen Organe auch nur einen Spatenstich zu tun.
     Bei der Besatzung der Festungen mit Landsturmtruppen, die sich plötzlich vor ganz fremde Verhältnisse gestellt fanden, ist es demnach von größter Wichtigkeit, daß die technischen Organe von allem Anfang an intensiv helfend und aufklärend eingreifen.
 

Über den Gegner

 
konnte folgendes wahrgenommen werden:
     Seine Batterien sind sehr beweglich und von sehr treffsicherer Wirkung. Ihre Aufstellplätze sind sehr schwer aufzufinden.
     Die feindliche Infanterie ist in der Durchführung von Erdarbeiten sehr geschickt. Die Annäherung an den Gürtel erfolgte sprungweise oft nur auf wenige Schritte und durch einzelne Leute, die sich sofort eingraben. Erst dann folgten die nächsten. Dadurch wurde es der eigenen Artillerie schwer gemacht eine entsprechende Wirkung zu erzielen.
     Die im Vorfeld vorgefundenen fdl. Deckungen sind durchwegs alle an der vom Gürtel abgewendeten Seite der Anhöhen angelegt. Auf dem Höhenkamm wurden nur Beobachtungsposten aufgestellt, welche offenbar den Zweck haben, den Angreifer über den Aufstellungplatz der fdl. Kräfte zu täuschen, ihn auf den Höhenkamm zu locken und ihn derart in das überraschende Feuer der knapp dahinter etablierten Inflinien zu bringen.
     Unterkünfte suchte der Gegner vielfach im Terrain, Ortschaften im Geschützertrage wurden wahrscheinlich aus Scheu vor dem Feuer der eigenen Art. häufig nicht belegt.
     Bemerkenswert ist noch die Fürsorge des Gegners für seine Verwundeten und Gefallenen, die bei einer Räumung des Kampfplatzes tunlichst mitgenommen wurden, anfänglich vielleicht in der Absicht, keine Schlüsse auf die im Gefecht beteilig gewesenen Truppen zu ermöglichen.
 

Lipowiza, am 3. November 1914.

Waitzendorfer m.p.
G.M.

 

 

 
 

 

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