K.u.k. Verteidigungsbezirkkommando VII.

Abschrift

Op.Nr. 272
 

Bewachung des Drahthindernisses.

 
      In dem Maße als der feindl. Infanterieangriff sich dem Gürtel nähert, wird der Gegner immer häufiger versuchen, in den Nächten mit kleinen Patrouillen an das Hindernis heranzukommen, um dasselbe allmählich sozusagen kaum merklich immer mehr zu beschädigen, denn die Überwindung des Hindernisses durch einen einmaligen Ansturm ist bei entsprechender Aufmerksamkeit der Besatzung wohl undenkbar. Es handelt sich also darum, die an das Hindernis sich anschleichenden Patrouillen verläßlich von der Beschädigung derselben abzuhalten.
      Dort wo das Hindernis von der Kampfstellung weiter entfernt ist, ist die Überwachung des Hindernisses selbst bei mondhellen Nächten aus der Kampfstellung nicht möglich. Die Vorsorgen für die Überwachung müssen aber so getroffen sein, daß eine Beschädigung des Hindernisses auch bei stockfinsterer Nacht verläßlich verhütet werden kann. Daraus folgt, daß die Dichte der Horchpatrouillen keine gleichbleibende sein kann, sondern den Beleuchtungsverhältnissen entsprechend geändert werden muss, auch in einer und derselben Nacht. (Verdichten der schon stehenden oder Einziehen der entbehrlichen Horchposten). Die tägliche Regelung dieses Dienstes im Detail fällt dem Komp. Komdten bzw. dem Inspektionsoffizier nach Weisung des letzteren zu.
     Die Horchposten haben also die Aufgabe, die Annäherung einzelner Leute oder Patrouillen an ihr Hindernis und eine Beschädigung desselben verläßlich zu hindern. Sie müssen hauptsächlich mit dem Gehör achtsam sein, dürfen ihren Aufstellungsplatz unter keinen Umständen verlassen, aber, wenn sie etwas Merkwürdiges hören, einige Schritte dem Geräusch entgegenkriechen um sich Klarheit zu verschaffen. Entdeckt der Horchposten am Hindernis den Feind, kriecht er in seine Deckung zurück und gibt von dort in die Richtung des erkannten Feindes einen Alarmschuß ab. Nach diesen Alarmschuß hat der Posten womöglich der Kampflinie Stärke und Richtung des Feindes zuzurufen z.B. „Zum Russen geradeaus", „Patrouille halbrechts" oder „Schwarmlinie halblinks" Ausprobieren, ob hiezu etwa kleine Sprechrohre zweckmäßig wären. Ist der Horchposten gegen das Feuer von der Kampflinie gedeckt, so kann hierauf der nächste befindliche Teil der Intervallbesatzung /nach dem Zurückziehen der Vorfeldtruppen steht 2/3 der Besatzung in der Kampflinie/ das Feuer über den Posten hinweg eröffnen. Dieses Feuer darf jedoch, um nicht in eine unnütze allgemeine Schießerei auszuarten, bloß ein ganz kurzer Feueranfall sein, der die feindliche Patrouille verjagen soll. Nach dem sofortigen Einstellen des Feuers haben die Horchposten gleich wieder zu beobachten und wenn sie den Feind wieder entdecken sollten, wieder zu schießen, worauf abermals ein kurzer Feueranfall erfolgen kann.
     Die Posten sind sehr häufig und eingehend zu belehren, daß das aufgeregte unnütze Herumschießen nur schädlich wirkt und streng verboten ist; es alarmiert unnütz die Besatzung und hindert die übrigen Horchposten etwas zu hören. Der Feind kann das Geräusch benützen, um dort, wo nicht geschossen wird, das Hindernis zu durchschneiden. Das Feuer der Intervallbesatzung darf selbstverständlich nur auf Anordnung eines Offiziers eröffnet werden, jedes regellose Schießen einzelner Leute oder gar der ganzen Linie müssen die Offiziere unbedingt verhindern.
Je nachdem, ob nur ein Posten, mehrere Posen oder die ganze Kette der Horchposten Alarmschüsse geben, wird sowohl die Stelle der feindlichen Annäherung als auch die Breite der feindlichen Front zu beurteilen sein.
Danach wird die Stärke der zum Schießen zu befehlenden Intervallbesatzung bestimmt werden können. Bieten die Standorte der Horchposten nach rückwärts gegen das eigene Feuer Schutz, so kann über dieselben unbedenklich hinweggeschossen werden. Nach vorne darf nur eine kleine Brustwehr vorhanden sein, über welche der Horchposten hinweg sehen kann; eine volle Eindeckung des Standpunktes würde das Horchen unmöglich machen.
      Die Zahl der Horchpostenstände muß auf die finsterste Nacht und auf größtmöglichste Stärke der Besatzung basiert sein. Die hierfür noch nötigen Stände für Horchposten sind sofort in Angriff zu nehmen und ehestens herzustellen. Dort wo Beleuchtungsmittel vorhanden sind/ Leuchtpistolen, Pechfackeln, Azetylenlampen oder Scheinwerfer/ ist statt des Alarmierungsschusses folgender Vorgang zweckmäßiger. Der Horchposten avisiert mittelst des Glocken-/Hammer-/ zuges oder auch durch Tierlaute, daß er etwas Verdächtiges hört, hierauf wird eine Abteilung rasch zum Schießen bereit gestellt, sodann die Umgebung dieses Postens überraschend beleuchtet und wenn der Feind konstatiert wird, erfolgt seine Beschießung /durch einen Schwärm oder Zug/ bis der Feind vertrieben ist, worauf das Feuer und die Beschießung wieder eingestellt werden.
Auf eine Meldung des Wahrgenommen durch den Horchposten kann es in den meisten Fällen schon wegen der weiten Wege, die er zurücklegen zu legen hätte, nicht ankommen. Der Glocken oder Hammerzug dient also entweder als Verständigungsmittel anstelle des Alarmschusses oder nur als Kontrollapparat für die Wachsamkeit, oder mangels Verständigungsmittel für den Fall, als der Horchposten bei plötzlicher Erkrankung oder bei Verwundungen macht, die der melden will, ohne zu schießen. Dementsprechend ist die Zahl der Schläge zu regeln.
Bei Tag muß das Hindernis genau überprüft werden, um danach zerschnittene oder durch das Feuer beschädigte Stellen zu entdecken, um sie, wenn bei Tag nicht möglich, sofort bei einbrechender Dunkelheit ausbessern zu können.
     Diese Überprüfung muß täglich sehr gewissenhaft geschehen, entweder mit dem Fernglas vom Walle aus, oder falls dies nicht verlässlich wäre, müssen in die betreffenden, weiter entfernten Teile des Drahthindernisses auch bei Tag Posten vorkriechen welche nach Lösung ihrer Aufgabe wieder zurück kriechen können.
     Diesem Gegenstande haben die Komdten aller Grade ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
     Das Verhalten der Horchposten ist mit der gesamten Mannschaft /auch jener der Bezirksreserve/ solange eingehend praktisch zu schulen bis dieser fast wichtigste Dienstzweig zweifellos gewährleistet erschein.
Erfahrungen oder Vorschläge sind behufs Beurteilung zur eventueller allgemeiner Einführung zu melden.
 
  Pikulice, am 20. Dezember 1914  
 

Martinek m.p. Oberst

 

 

 

 
 

 

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