Automobilwesen

(Artikel Juni 1914)

 

Das erste Lastenauto der Armee (angeschafft 1898)

 
Die heutigen grossen Armeen bedürfen zur Erhaltung ihrer Schlagfertigkeit im Kriege eine enorme Menge von Munition, Verpflegung und sonstiger Kriegsmittel.  Diese Bedürfnisse müssen den Armeen zum grössten Teile aus dem Hinterlande zugeführt werden.
Soweit hiefür die Eisenbahn in Betracht kommt, obliegt dieser die Zufuhr. Wo diese aufhört, setzt die Feldbahn und das Pferdefuhrwerk ein.Es ist leicht einzusehen, dass für solche Mengen von Gütern, tausend und abertausend Fuhrwerke benötigt werden,
 

Grössere Type eines Lastenautos, das von der Heeresverwaltung subventioniert ist.

 
 weil diese Fahrzeuge nur eine geringe Nutzlast haben und ihre Tagesleistung ebenfalls eine sehr kleine ist, woraus sich ergibt, dass, je weiter die Armee vorrückt, desto mehr Fuhren den Zuschub besorgen müssen.
Der Aufschwung, den in den letzten Jahren das Automobilwesen genommen hat, beginnt nun im Nachschubwesen der Armee einen Wandel zu schaffen, weil die Geschwindigkeit des Automobils und die beförderte Nutzlast, — insbesondere des Lastautomobils — im stände ist, viele Pferdefuhrwerke durch ein Kraftfahrzeug zu ersetzen.
 

Kleinere Type eines Lastenautos, das von der Heeresverwaltung subventioniert ist.

 

Start zu einer Uebungsfahrt des k.k. Motorfahrerkorps.

 
Die österreichisch-ungarische Heeresverwaltung hat den Vorteil des Autos für diese Zwecke schon frühzeitig erkannt und schon im Jahre 1898 besass sie ein Lastautomobil. Es war dies das erste mit Benzin betriebene militärische Lastauto der Qrossstaaten überhaupt.
Nebenbei sei des Interesses halber erwähnt, dass eine grosse Anzahl Autos für die Lastenbeförderung zu verfügen, sucht die Heeresverwaltung die Ausbreitung der automobilen Lastenbeförderung in der Monarchie zu fördern und zu unterstützen. Es geschieht dies durch Subventionierungen, welche die Heeresverwaltung jenen zivilen Unternehmungen und dgl. zuwendet, welche für dieses Fahrzeug heute noch Dienste leistet.
 

Prinz Elias v. Parma bei der Alpenfahrt

 

Rückkehr der Wagen aus der Prinz-Heinrich-Fahrt 1910

 

Park einer Lastautomobilkolonne

 

Seit jener Zeit ist das Interesse der Heeresverwaltung an der Ausgestaltung des Autowesens im Heere nicht erlahmt und besitzt die österreichische Armee zahlreiche Kraftfahrzeuge für die verschiedensten Zwecke.
Es ist natürlich unmöglich, dass die Heeresverwaltung jene Zahl von Autos beschafft, die für den Nachschub im Kriege notwendig sein werden, weil dies enorme Geldmittel voraussetzen würde und auch aus vielen anderen Gründen untunlich wäre.
Um aber im Kriege über ihre Betriebe die für militärische Zwecke geeignete Type von Lastenautos anschaffen.

 

Lastautomobilkolonne auf schlechten Wegen

 
Die kleinere Type besitzt einen Anhängekarren und ist für eine Nutzlast von 3,5 t (2,5 t auf dem Zugwagen und 1 t auf dem Karren) gebaut. Das Fahrzeug besitzt einen 40-HP.-Motor und hat eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 20 km per Stunde.
Die Interessenten erhalten über ihr Ansuchen diese Fahrzeuge komplett ausgerüstet gegen eine ratenweise Abzahlung des Anschaffungspreises, und zwar: im 1. bis 3. Jahre der Benützung je 3000 K, im 4.-8. Jahre je 2200 K.
Nach dem 8. Jahre übergeht das Fahrzeug in ihr Eigentum.
Die grössere Type besitzt einen Anhängewagen und ist für eine Nutzlast von zirka 7 t konstruiert, und zwar 4 t auf dem Zugwagen und 3 t auf dem Anhängewagen.
 

Lastzug 28/32 HP

 
Ein 35-HP.-Motor verleiht dem Fahrzeuge eine Stundengeschwindigkeit von durchschnittlich 16 km.
Diese Fahrzeuge, welche von der Heeresverwaltung um 26.500 K das Stück angekauft wurden, werden gegen Erlag von 16.500 K an Interessenten
abgegeben, übergehen sofort in ihr Eigentum gegen die Verpflichtung, das Fahrzeug innerhalb der Vertragsdauer von sechs Jahren kriegsbrauchbar zu halten und es einmal in dieser Zeit der Heeresverwaltung auf 12 Tage zu einer Friedensübung zur Verfügung zu stellen.
Auf diese Weise ist es Interessenten im Zivil möglich, auf eine bequeme Art in den Besitz eines leistungsfähigen Lastautos zu gelangen.
Im Kriege werden dann diese Fahrzeuge für die Zwecke der Armeen in Anspruch genommen.
Die bisher geschilderten Lastautomobile dienen zur Beförderung von mittelschweren Lasten bis sieben Tonnen. Im Laufe der Versuche zeigte es sich, dass die Erhöhung der motorischen Kraft eines Lastautomobils allein nicht genügt, um auch grössere, den Motorwagen anzuhängende Lasten fortzubringen, bzw. zu ziehen. Die motorisch getriebenen Räder des Zugwagens müssen nämlich eine entsprechende Reibung auf der Strassenoberfläche haben, sonst gleiten sie, statt vorwärts zu rollen. Wird also die angehängte Last schwerer, so müsste auch die Belastung der Triebräder immer zunehmen. Weil aber diesem Vorgang durch die Strassen selbst und ihre Brücken ein Ziel gesetzt ist, so trachtete man die motorische Kraft dadurch voll auszunützen, dass man sie nicht nur auf die Hinterräder der Motorwagen, sondern auch auf ihre Vorderräder, bzw. die Räder der angehängten Wagen übertrug. Auf solche Weise entstanden die Vierräder- und Vielräderantriebe, von welchen
die erstgenannten zu einer Reihe von militärischen Spezialtypen führte, wie sie z. B. für den Geschütztransport Verwendung finden.
Die Vielräderantriebe finden ihren Ausdruck im elektrischen Train. Es ist dies ein Lastzug, bestehend aus einem Motor- (Generator-) Wagen und 5 Anhängern, deren jeder 6 Tonnen Nutzlast befördert, im ganzen also 30 Tonnen.
 

70 HP. Militär-Beleuchtungswagen mit zweirädriger Scheinwerfer-Lafette

 
   Der 150-PS.-Benzin-motor dient nur zur Erzeugung der elektrischen Energie, welche sowohl auf die Hinterräder des Motorwagens selbst, als auch auf die Räder der Anhängewagen übertragen wird. Durch die Möglichkeit, mit einem solchen Lastzug grosse Massen befördern zu können, verbilligen sich die Frachtkosten bedeutend. Nachdem der elektrische Train das Stadium der Versuche mit Erfolg absolviert
hat, beginnt nunmehr seine
Verwendung als Massentransportmittel auf der Strasse im Dienste grosser Unternehmungen. Auch das Personen-Auto, welches infolge seiner Schnelligkeit für das Ueberbringen von Befehlen und Meldungen sehr geeignet ist, hat in der Armee ausgebreitete Verwendung gefunden.
Damit im Kriege und bei den Friedensübungen der Heeresverwaltung gute kriegsbrauchbare Fahrzeuge mit militärisch geschulten Fahrern zur Verfügung stehen, wurden die freiwilligen Motorkorps ins Leben gerufen.
 
 

Lastautokolonne

 
Sie bestehen aus dem k. k. österreichischen und dem k. ungarischen Automobilkorps und dem k. k. Motorfahrerkorps. Bei beiden letzteren Korps befinden sich auch Mitglieder mit Motorrädern. Die Angehörigen dieser Korps verpflichten sich, im
Kriege und bei Friedensübungen mit ihren Fahrzeugen den Befehl- und Meldedienst zu versehen.
Für die Zwecke des militärischen Autowesens besteht bei der Armee die Automobilabteilung, welcher die Ausbildung der Fahrmannschaft und die Verwaltung der ärarischen Kraftfahrzeuge obliegt.
Die Automobilversuchsabteilung wiederum befasst sich mit der technischen Prüfung aller auf dem Gebiete des Autowesens auftretenden Neuerungen hinsichtlich ihrer militärischen Brauchbarkeit und führt die hiezu notwendigen Versuche durch.
Die praktische Erprobung des automobilen Nachschubdienstes erfolgt während der Manöver, bei welchen das Automobil die ausgebreitetste Anwendung findet und bisher die vorzüglichsten Resultate ergeben hat.
 
 
 

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